Die Karstädter Kirche

Orgel in Karstädt
Orgel in Karstädt

Sparsam gegliederter neugotischer Backsteinbau von 1895, mit kurzem flachgeschlossenem Chor und symmetrischen Anbauten. Der Westschluss als unvollendete Doppelturmfassade angelegt. Der Neubau Ersatz für einen älteren Vorgängerbau des 17. Jh., dieser in Fachwerk mit Ziegel-deckung. Der ehemalige verbretterte Westturm mit Holzschindeldeckung wohl bereits 15. Jh.

Bisher im Pfarrarchiv, demnächst im Kirchenraum kunsthistorisch wertvolle Kasel (Messgewand) des 14. Jh., gefertigt aus einem mittelalterlichen italienischen Textil, um 1440/50 durch aufgesetztes Baumkreuz mit dem gekreuzigten Jesus (böhmische Stickerei) bereichert, Teilrestaurierung 2016.

Die Orgel 1897 von Schlag & Söhne aus Schweidnitz (Schlesien).

Text und Foto: © Lukas Verlag

Offene Kirche

Die Kirche in Karstädt ist Samstag und Sonntag von 10.00 - 18.00 Uhr von Ostern bis zum Reformationstag geöffnet.

Die Kasel aus Karstädt

Die, damals vielleicht noch vollständige, Kasel soll 1893 beim Abbruch der alten Kirche in Karstädt aufgefunden worden sein. Möglicherweise handelt es sich um das Textil, das bereits in
Visitationsprotokollen 1558 [„1 ornat“] und 1600 [„Hat ein seyden meßgewadt.“] erwähnt wird. Nach der Auffindung wurde die Kasel „zurechtgeschnitten“, auf eine Platte genagelt und gerahmt.

Die Kasel hing dann jahrzehntelang in der Sakristei der 1895 neu errichteten Karstädter Kirche. Der Kaselstoff ist ein italienische Lampas mit ehemals rosarotem [Rotholzfärbung] Atlasgrund und Musterung in Häutchengold und blauer Lanzierung in Schussköper. Der Lampas dürfte aus dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts stammen. Das große Muster in versetzten Reihen zeigt wechselseitig geschwungene Tropfenformen mit einem Inschriftband, dazwischen ein Bäumchen und eine ruhende Gazelle mit Zweig im Maul, deren Halsband oben durch einen Ring gezogen ist, er ruhende Gazelle mit Zweig.

Dieser Stoff erfuhr in der Kasel eine Zweitverwendung, wie mehrere Stückelungsnähte belegen. Ein feines gebleichtes und geglättetes Leinenfutter könnte seiner Qualität nach zur Erstverarbeitung gehört haben. Da unter dem Kreuz die Seide nicht wie üblich ausgespart ist, kann dieses später aufgesetzt worden sein. Demnach wäre die Kasel ursprünglich ein Gewand ohne Kreuz gewesen, das allein durch den Stoff wirkte. Das später aufgesetzte Kreuz ist zeigt den Gekreuzigten in meisterhafter Zeichnung an einem grünen, in rhombischen Spannstich überfangenen Baumkreuz mit rosaroten Stammschnitten an den oberen Balkenenden, von denen goldene Strahlen nach innen ausgehen. Am Kreuzfuß wachsen drei Pflanzen mit dreiblättrigen Kelchblüten. Diese liegen auch im rosaroten Grund aufgereiht umgeben von Fleuronné in Lahngold, überfangen mit leuchtend roter ungezwirnter Seide.

Alle Charakteristika deuten auf eine Werkstatt Böhmischer Sticker hin, ähnlich den Arbeiten im Brandenburger Gebiet. Sie steht in Zusammenhang mit Stickereien im Zeitraum Arbeiten im Zeitraum 1435 bis 1460, doch ist sie eigenständig und erweitert ganz wesentlich den Bestand der böhmischen Stickerei der zweiten und dritte Generation in der Mark.

Die Kasel wurde von 2016 - 2022 von der Restauratorin Anke Weidner von der in Rühstädt ansässigen Firma Art Detox und ihr Team an der Kasel restauriert. Während der Restaurierung wurde das Gewand gereinigt und wieder in Form gebracht. Die Schnittteile wurden abgerundet. Einen dauerhaften Platz soll die Kasel in der Wunderblutkirche in Bad Wilsnack finden, wenn deren Sanierung abgeschlossen ist.

Quelle: Peter Radziwill nach einem Gutachten von Christa Jeitner [2015]