Eine Reise zu Geschwistern

Das Auto hält vor der Kirche. Sofort ist es von bunt gekleideten Menschen umringt, die schon gewartet haben. Wir steigen aus und gleich erklingt ein fröhliches Lied aus vollen Kehlen. Es wird getanzt und getrillert, an einigen Orten werden Palmzweige geschwenkt. Auch wenn wir vielleicht nur das Wort „Karibu“ – Willkommen - aus dem Gesang verstehen, zeigen uns die Menschen so herzlich, wie sehr wir willkommen sind. Das ist ein großartiges Gefühl, das alle Strapazen der langen Reise in dieses so ferne Land und über die unwegsamen Straßen zu den abgelegenen Dörfern vergessen lässt. So sind sie, unsere Geschwister. Sie nehmen uns herzlich und voller Freude auf. Zeigen uns, wie sie Gott mit Gesang und Tanz loben. Wie lebendig wirken die einfachen und schlichten Kirchen durch die Freude an der Gemeinschaft in Jesus Christus.

Zu viert sind wir, Hanna Wollschläger aus Neustadt, Gérôme Kostropetsch aus Lenzen, Marko Geitz aus Wulkow und ich, Dorothea Bothe aus Wusterhausen, Ende Oktober aus dem schon kälter werdenden Deutschland losgereist. Nicht nur die Temperaturen sind in unserem ostafrikanischen Reiseziel viel wärmer, auch die Herzlichkeit, mit der wir schon in Dar es Salaam in Empfang genommen werden, lässt uns Wärme spüren. Pastor Mkemwa, der Superintendent, und Pastor Nuhu Msola begleiten uns fast die ganzen zwei Wochen. Sie zeigen uns die 18 Pfarrsprengel des Kirchenkreises, die weit verstreut im Hochland und in der Ebene rund um die 75.000-Einwohnerstadt Ilula in der südlichen Mitte von Tansania liegen.

In den vielen Gemeinden, die wir besuchen, beeindruckt uns besonders die Chorarbeit sehr. Jede Gemeinde hat mindestens einen Chor, viele haben mehrere. Im Gottesdienst in Ilula bereichern am Sonntag allein 8 Chöre die Feier. Da gibt es Kinder, die singen und tanzen, manchmal haben sie den Gesang vorher aufgenommen, um sich besser auf das Tanzen konzentrieren zu können. In einer Gemeinde stellte sich schon eine knapp Zweijährige mit dazu und versuchte es den Größeren gleichzutun. Jungendchöre mit besonders akrobatischen Tanzvorführungen zeigen uns trotz großer Hitze ihr Können. Wir hören Chöre mit mehrstimmigen Chorälen, von denen uns manche Melodien sehr vertraut vorkommen. Gott mit vollen Kehlen und dem ganzen Körper zu loben ist allen Chören ein großes Anliegen. Die Kraft, die darin steckt, steckt uns an und auch wir tanzen und singen immer wieder mit.

In jeder Gemeinde haben wir auch eine Gesprächsrunde mit den Gemeindegliedern. Wir werden gefragt, warum wir so große Kirchen haben, wenn doch nur so wenige Menschen kommen? Wie kann es sein, dass Missionare aus Deutschland nach Tansania gekommen sind, wenn es doch jetzt in Deutschland nicht mehr viele Christen gibt? Wie finanzieren sich die Gemeinden, wenn nur so wenige kommen? Solche und ähnliche Fragen werden uns gestellt und bringen uns selber zum Nachdenken. Aber auch wir können Fragen stellen und haben so einiges Neues erfahren. Der Austausch gerade in den Gemeinden ist noch einmal beeindruckender als mit den Menschen, denen wir auf Kirchenkreisebene begegnen.

Wir besichtigen auch das Krankenhaus in Ilula, dass genauso in Trägerschaft der lutherischen Diözese Iringa ist wie die Image Secondary School, die wir auch besuchen. Im Krankenhaus sehen wir, wie mit einfachen Mitteln die ambulante und stationäre Versorgung der Menschen der Region erfolgt. Jede Krankenschwester wird gleichzeitig zur Hebamme ausgebildet, was in dem geburtenreichen Land sehr hilfreich ist. Neben den Dispensarys, einfachen medizinischen Versorgungseinrichtungen auf einzelnen Dörfern, ist das Krankenhaus für viele Menschen die einzige Möglichkeit sich ärztlich versorgen zu lassen. Der einzige Krankenwagen für die Region muss gleichzeitig für Versorgungsfahrten des Krankenhauses eingesetzt werden.

Der Besuch der Image Secondary School ist für uns ein besonderes Erlebnis. Seit einigen Jahren sammeln wir Geld für einen Schulfonds, mit dem Schüler und Schülerinnen unterstützt werden können, die das Schulgeld an dieser weiterführenden Internatsschule nicht aufbringen können. Wir freuen uns zu sehen, wie sich die Schule entwickelt und wie die Jugendlichen durch ihre gute Ausbildung auch an Selbstbewusstsein gewinnen und so hoffentlich einen guten Weg für sich finden können. In diesem Schuljahr werden durch den Schulfonds 10 Mädchen unterstützt. Da in Tansania nach wie vor die Jungen einer Familie bei ihrer Ausbildung mehr gefördert werden, ist es ein schönes Gefühl mit unserem Geld nun vor allem Mädchen gefördert zu wissen. Wir hoffen auch weiterhin auf großzügige Spenden, um diese Unterstützung fortführen und erweitern zu können.

Einen Austausch haben wir auch während eines Partnerschaftsgesprächs mit einigen Mitgliedern der Leitung des Kirchenkreises. Dabei formulieren unsere Geschwister aus Ilula drei Herzensanliegen an uns. Sie sind seit einigen Jahren dabei, eine Versammlungshalle für den Kirchenkreis zu bauen. Damit wollen sie Platz für Pfarrkonvente, die Synode und auch Versammlungen und Schulungen der Evangelisten und Evangelistinnen schaffen, für die sonst immer andere Räumlichkeiten gemietet werden müssen. Gleichzeitig soll diese Halle auch eine Einnahmequelle für den Kirchenkreis sein. Denn durch Vermietung für Hochzeiten und Beerdigungen, die in Tansania immer sehr groß begangen werden, könnte Geld eingenommen werden. Der Bau der Halle wurde schon vor einigen Jahrebegonnen. Bisher konnte das Fundament gebaut und der Boden aufgefüllt werden. Ein Teil der Ziegeln für die Wände ist ebenfalls schon da. Durch Corona musste der Weiterbau gestoppt werden. Im nächsten Jahr sollen nun die Wände und das Dach geschafft werden. Dazu bitten sie uns um finanzielle Unterstützung.

Gleichzeitig bitten sie uns um Unterstützung für den Kirchbau der Predigtstätte in Kijiro, die zur Gemeinde Malolo gehört. Die wachsende Gemeinschaft dort hat schon das Fundament für eine neue Kirche gelegt. Nun braucht es Geld, um die Wände und das Dach errichten zu können. Malolo gehört zum Missionsgebiet und die Gemeinden der Region wachsen. Noch reicht die kleine Kirche für die Gemeinde mit 21 Erwachsenen und 35 Kindern. Das Fundament für die größere Kirche steht wie ein Hoffnungszeichen neben der kleinen Kirche. Hier sind die Menschen überzeugt, dass die Gemeinde in ein paar Jahren auch die große Kirche füllen wird!

Das dritte Anliegen aus dem Partnerkirchenkreis betrifft das Krankenhaus. Die Verantwortlichen dort wünschen sich Freiwillige aus Deutschland, die die Arbeit durch ihre Kenntnisse bereichern. Sowohl im Krankenhaus als auch im Pflege College möchten die Mitarbeitenden lernen, wie anderswo mit den Herausforderungen im Krankenhaus und in Pflegeausbildung umgegangen wird. Idealerweise haben diese Freiwilligen eine abgeschlossene medizinische Ausbildung und Lust, drei bis sechs Monate dort zu verbringen. Dieses Anliegen wurde uns mehrfach genannt und scheint ein dringlicher Wunsch zu sein.

Zum Abschluss unseres Besuchs in Partnerkirchenkreis besuchen wir noch alte Bekannte in Iringa. Der ehemalige Superintendant Pastor Mhenga, der uns schon zweimal mit einer Delegation besucht hat, freut sich sehr über den Kontakt und unseren Besuch. Pastor Ngogo, der ehemalige Schulleiter der Image Secondary School, mit dem wir zusammen den Schulfonds ins Leben gerufen haben und der nun Generalsekretär der Diözese ist, besuchen wir auch und lassen die alte Verbindung wiederaufleben. Ein kurzer Besuch im Hauptverwaltungssitz der Diözese in Iringa rundet den offiziellen Teil unserer Reise ab. Unsere Partner in Ilula haben zum Abschluss unserer Reise noch einen Besuch im Ruaha Nationalpark für uns organisiert. So haben wir noch die Gelegenheit, Elefanten, Giraffen, verschiedenen Gazellen und Antilopen, Wasserbüffel und Flusspferde und sogar Löwen und Krokodile in ihrem natürlichen Lebensraum zu sehen. Voll mit überwältigenden, energiespendenden und zum Nachdenken anregenden Eindrücken machen wir uns am 12.11. wieder auf die Rückreise ins kalte Deutschland!

Dorothea Bothe