Moment Mal

von Superintendent i.R. Peter Heß

24 Stunden besetzt

Es muss 1972 gewesen sein. Ich war Vikar (die Praxiszeit zur Einübung in meine zukünftige Aufgabe als Pfarrer). Am Sonntag Rogate hatte ich den Gottesdienst zu halten und damit auch die Predigt. Natürlich war ich noch unsicher.

Erinnerungen an das, was ich damals gesagt habe, sind nach so vielen Jahren nicht mehr vorhanden, außer, dass die Frau meines Vikariatspfarrers nach dem Gottesdienst sagte: „Sehen sie, das war doch gut.“ Nicht nur wegen dieser Ermutigung am Anfang, sondern auch wegen vieler Erfahrungen mit dem Gebet, denke ich jedes Jahr am Sonntag Rogate zurück und so ist mir dieser Tag besonders wichtig geworden.

Ich glaube, dass es nicht viele Menschen gibt, die noch nicht gebetet haben. Also es beten, denke ich, viel mehr Menschen als wir in einer scheinbar „Gottvergessenen“ Zeit vermuten. Sicher verbindet sich dieses Gespräch mit Gott allermeist mit Momenten der Hilflosigkeit, Angst; Sorge und ähnlichem. Ist übrigens auch okay. Schon im ältesten Gebets- und Gesangbuch der Bibel, den Psalmen, werden wir ermutigt: “Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten...!“ (Psalm 50) Da hat Gott also eine extra Notrufzentrale eingerichtet. Die ist übrigens 24 Stunden besetzt und störungsfrei. Super!

Kaum ein anderes Thema der Bibel kommt so oft vor wie Gebet – etwa 60 Mal. Immer wenn davon gesprochen wird, macht es Mut und Lust zum Beten und mündet ein in Dankbarkeit. Jesu Gebet, das Vaterunser, und viele andere Stellen, sind wie ein Türöffner auch für Unerfahrene und Zweifler. Warum? Weil Gott uns als Vater vorgestellt wird, also dürfen wir in die Rolle von Kindern schlüpfen und müssen uns nicht schämen, mit unseren Problemen zu kommen. Bei allen Fähigkeiten und großartigen Leistungen, die Menschen haben und hervorbringen, bleiben wir doch zutiefst hilfsbedürftige Wesen.

Das spüren wir zur Zeit  in kaum gekannter Weise . Das ist keine Schande. Angewiesen sein ist zutiefst menschlich. Wichtig nur zu wissen, wo die Adresse ist mit der Kompetenz, die wir brauchen, auch jetzt! Wie gut, dass wir viele Kirchen offen halten konnten. Mancher ist eingekehrt zum stillen Gebet. Wie intensiv in diesen  Wochen gebetet wird, erfahre ich immer wieder. Viele verabreden sich sogar zur selben Zeit oder beten gemeinsam am Telefon.

Das ist ein besonderes Geschenk. Nicht nur, dass wir uns an unseren väterlichen Gott wenden können, sondern gemeinsam wird es hilfreicher. Beten heißt: Wir sind nicht allein. Unsere Not wird geteilt. Erinnern wir uns an den Satz von Mutter oder Vater: Ich weiß! Das sagt uns Jesus auch: „Euer Vater (im Himmel) weiß!“ Gut zu wissen, auch jetzt, aber nicht nur...!

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