Auf CD gebannt: Der Klang der Rühstädter Wagner-Orgel

von Dr. Uwe Czubatynski

Die Wagner-Orgel in Rühstädt

Langsam, aber sicher sollte es sich herumgesprochen haben: Das Dorf Rühstädt ist nicht nur wegen seiner vielen Störche eine Reise wert. Der Ort verfügt auch, wie viele an Elbe und Havel gelegene Dörfer, über eine sehenswerte Backsteinkirche. Errichtet wurde sie unter dem Patronat der Familie von Quitzow in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Mit der halbrunden Apsis griff man dabei auf noch viel ältere Stilelemente zurück, die an die Zeit der Romanik erinnern. Nirgendwo sonst (abgesehen von Kletzke) kann man anhand der kostbaren Grabdenkmäler die berühmt-berüchtigte Familiengeschichte der Quitzows so eingehend studieren wie hier.

Im 18. Jahrhundert wechselten nach dem Aussterben der Quitzows die Besitzer des Gutes. Der in der preußischen Geschichte bekannte Generalfeldmarschall von Grumbkow ließ die Kirche eingreifend umgestalten und fügte einen Turm hinzu. Seine Frau stiftete 1738 eine dem Raum angemessene Orgel. Mit dem Bau beauftragt wurde der längst berühmt gewordene Orgelbauer Joachim Wagner in Berlin. Das Innere der Rühstädter Kirche wurde im 19. Jahrhundert nochmals umgebaut, nun unter Regie der Familie von Jagow. Auch sie hat im Kirchenraum Denkmäler von hohem Kunstwert hinterlassen. Die Orgel erfuhr ebenfalls mancherlei Veränderungen, die durch den Wittstocker Orgelbauer Lütkemüller vorgenommen wurden. Das mit großer Sorgfalt konstruierte Pfeifenwerk schonte er dabei aber weitgehend, sodass das Instrument in seiner Grundsubstanz immer noch eine Wagner-Orgel blieb.

Am Ort selbst geriet dieser Ursprung jedoch weitestgehend in Vergessenheit, zumal keinerlei Akten mehr aus der Erbauungszeit existieren. Gegen Ende der DDR-Zeit befand sich die Orgel in einem beklagenswerten Zustand. Das aufwendig gestaltete Gehäuse war in den zurückliegenden Jahrzehnten mit einem trostlosen Anstrich in Ölfarbe versehen worden. Das Wappen der Stifterin war vollkommen vom Wurm zerfressen, der Spielschrank wurde durch unförmige Elektroinstallationen entstellt. 1984 gelang es immerhin einigen Fachleuten, das Werk durch stilistische Vergleiche dem Orgelbauer Wagner zuzuschreiben. Eine Restaurierung ließ freilich auf sich warten, sodass weiterhin ein unglaublich lautes und polterndes Gebläse die Orgel mit dem nötigen Wind versorgte.

Erst nach einer umfassenden Instandsetzung der Kirche konnte die überfällige Wiederherstellung der Orgel in Angriff genommen werden. Nach sorgfältigen Überlegungen wurde das Instrument mit seinen 10 Registern und auch das Gehäuse so weit wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. 2005 wurde dieses für eine dörfliche Kirchengemeinde große Vorhaben erfolgreich abgeschlossen. Möglich wurde es nur durch zahlreiche kirchliche, staatliche und private Förderer. Vergleichbare Instrumente von Joachim Wagner befinden sich heute noch in den Kirchen von Sternhagen, Pritzerbe, Schönwalde bei Nauen, Bötzow, Wartin, Felchow und Flemsdorf.

Woran es an den allermeisten kleinen Orten mangelt, sind fachkundige Organisten, die die Instrumente regelmäßig spielen und warten könnten. So hat es nun auch in Rühstädt viele Jahre gedauert, bis an eine Tonaufnahme zu denken war. Gewonnen wurden dazu zwei namhafte Spezialisten, die mit der Spielweise historischer Instrumente bestens vertraut sind: Kantorin Oana Maria Bran aus Lenzen und Dietrich Kollmannsperger aus Tangermünde haben für die CD ein nicht alltägliches Programm entworfen. Eine musikalische Reise führt den Hörer durch verschiedene Länder und Regionen, in denen die Musik einst entstanden ist. Vertreten sind Komponisten wie Samuel Scheidt, Girolamo Frescobaldi, Carlos Seixas, Johann Sebastian Bach und Michael Gotthardt Fischer. Auf diese Weise gelingt es, die klanglichen Möglichkeiten dieser kleinen Wagnerorgel umfassend vorzustellen.

Für die Produktion der CD haben sich wiederum mehrere Partner zusammengefunden. Getragen wird das Projekt von der Joachim-Wagner-Gesellschaft e.V., der Studienstiftung Dr. Uwe Czubatynski und der Kirchengemeinde Rühstädt.

Am 11. September 2022, also zum Tag des Offenen Denkmals, soll diese CD zusammen mit einem Büchlein über Kinderbildnisse in märkischen Kirchen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Erhältlich ist die CD einschließlich eines ausführlichen Begleitheftes (10 € plus Versandkosten) ausschließlich bei der Kirchengemeinde Rühstädt (Rühstädter Dorfstr. 21, 19322 Rühstädt, E-Mail: gb-ruehstaedt@kirchenkreis-prignitz.de).

Ein Klangbeispiel ist übrigens auf der Homepage der Studienstiftung abrufbar (www.stiftung-czubatynski.de). Mit der CD ist jedenfalls eines der vielen Schätze gehoben, die sich abseits der großen Zentren im Land Brandenburg entdecken lassen. Hören Sie selbst!

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