Wort zur Woche

von Pfr. Peter Radziwill

Fürchtet euch nicht!

„Es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde. Und der Engel sagt: ‚Fürchtet euch nicht!‘“ So werden wir es in gut einer Woche wieder in den Kirchen hören.

Es waren Menschen in derselben Gegend auf dem Weihnachtsmarkt. Da fallen Schüsse, Menschen sterben, werden verletzt an Leib und Seele. Die Menschen in Straßburg fürchteten sich sehr. Ich erinnere mich an einen anderen Anschlag, am Mittwoch vor zwei Jahren.

Ein umgestürzter Weihnachtsbaum lag da auf dem Berliner Breitscheidplatz. Auf seiner Spitze ein leuchtender Stern. Sein Licht spiegelt sich in den Kugeln an seinen grünen Zweigen und in den Radkappen des tödlichen Lastwagens. Den Stern konnte der Mörder nicht zum Verlöschen bringen.

Ich bin da als Notfallseelsorger und trage diesen Stern bis heute in meinem Herzen. Er ist mir Licht, wenn ich zu Menschen gehe, die etwas Schreckliches erlebt haben, zu denen, die einen anderen vermissen, zu denen, die zwischen Hoffen und Bangen leben.

Welt ging verloren. Der Stern jedoch leuchtet. Senkt sein Licht über die Hirten auf dem Felde. Leuchtet in die Dunkelheiten unserer Welt bis zu mir. Die Hoffnung mag manchmal am Boden liegen. Aber sie leuchtet selbst in der schlimmsten Dunkelheit.

Ein Mensch, der nicht hofft, verzichtet darauf, die Zukunft zu gestalten, weil er meint zu wissen, wie die Zukunft sein wird. Aber ein Mensch, der Hoffnung hat, gestaltet das Kommende mit. Er weiß, um seine begrenzte Kraft und Vergänglichkeit. Er blendet Schrecken und Bedrohung nicht aus und lässt sich sagen: Fürchte dich nicht. Weil Angst der schlechteste aller Ratgeber ist.

Der Stern leitet mich zu dem, der mir in tiefster Nacht erschienen. Zu dem, der mein Herz befreit von Angst, der mich erfüllt mit Vertrauen, der mit die Hoffnung schenkt, der allen Menschen die Freiheit der Kinder Gottes zusagt: Muslimen und Christen und Juden, Gläubigen und Atheisten. Weil wir alle Menschen sind.

Der Stern leuchtet. Den Trauernden und Verletzten, in Straßburg, in Berlin, im Jemen, überall. Möglich, dass mein Weg durch Wüsten führt, dass ich stolpere über Steine und Zweifel. Bitterkalt könnte es werden, einsam und finster, vielleicht ziehen Stürme auf und mich hungert nach Brot und Leben.

Aber immer wieder ist da der Stern und der Engel und die Botschaft: Fürchtet euch nicht!

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