Moment Mal

von Pfarrer Olaf Glomke

Tränen

Liebe Leserinnen und Leser! Manche Dinge scheinen sich in unserer Welt nur sehr langsam zu ändern. So zum Beispiel die Sache mit dem Weinen. „Ein Junge weint nicht!“ Tränen zeigen ist Schwäche und das passt nicht. Wer will schon ein „Weichei“ sein. Bei Mädchen ist das ganz leicht anders. Aber wenn sie nicht aufpassen, werden sie rasch als „Heulsusen“ belächelt. Bei den Erwachsenen ist es noch viel komplizierter. Sie vermeiden es meistens zu weinen. Und sie wollen schon gar nicht vor den Kindern weinen. Und wenn doch, dann ist es den Erwachsenen sehr unangenehm.

Als Seelsorger im Krankenhaus höre ich vielen Menschen zu. Wenn Patienten von ihrer Erkrankung erzählen, fließen nicht selten Tränen. Angehörige, die am Bett ihrer Mutter oft viele Stunden ausharren, in der Hoffnung, alles würde sich zum Guten wenden, weinen, weil sie ihre Ohnmacht spüren. Und manchmal ist die eigene Lebensgeschichte so anders verlaufen, dass Tränen einfach nicht aufzuhalten sind. Gutes Zureden: „Es wird schon alles wieder gut“, hilft nicht.

Irgendjemand hat einmal den Versuch, Tränen zu vermeiden, mit einem Ball verglichen, den man unter Wasser drückt. Je heftiger und stärker ich den Ball unter der Wasseroberfläche halten möchte, desto stärker drängt der Ball nach oben. Ich finde diesen Vergleich sehr passend, denn Tränen wollen raus. Es gibt keinen Grund, sie zurück zu halten oder sich gar zu schämen. Das Tränen krampflösend und wichtig für die seelische Hygiene sind, ist schon lange erwiesen.

Weinen kostet mitunter viel Kraft. Oft stellt sich ein Gefühl der Erschöpfung ein. Doch Weinen löst. Manche Dinge scheinen sich nur langsam zu ändern. Beim Weinen sollte uns das Gerede nicht bestimmen. Zu unseren Gefühlen sollten wir stehen und weinen, wenn uns danach ist. Um die eigenen und die Tränen anderer zuzulassen und auszuhalten wünsche ich uns Kraft und Geduld. Tränen dürfen sein.

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